Vermarktung

Der Erfolg von mp3 beruht neben der technischen Einzigartigkeit insbesondere auf der Vermarktung der Technologie durch das Entwicklerteam. Gegen alle Widerstände führte das Fraunhofer-Team mp3 zum Markterfolg. Stets waren die Entwickler überzeugt, dass mp3 die Zukunft gehören würde – auch als Anfang der neunziger Jahre Erfolge auf sich warten ließen und die Unterhaltungselektronikindustrie mp3 keine Chance einräumte.

Harald Popp: »Mitte der neunziger Jahre hatten wir die Vision, dass jeder die Möglichkeit haben sollte, seine gesamte Musiksammlung auf einem kleinen Gerät überall dabei zu haben und jederzeit hören zu können. Dies war zu einer Zeit, in der viele Experten mp3 keinerlei Chancen einräumten: denn angeblich würde es nie mobile Geräte geben, die das komplexe mp3-Verfahren beherrschen würden. Trotzdem war für uns aufgrund der technischen Entwicklung klar, dass mp3 und mobilen Musikspielern die Zukunft gehört.«

David gegen Goliath: Die Vermarktung von mp3

Bereits während der Entwicklung von mp3 verkaufte das Fraunhofer IIS professionelle Geräte an Rundfunkanstalten. Bislang mussten zur Übertragung von Audiobeiträgen zwischen Studios teure Standleitungen gemietet werden. Mit den neuen Geräten des Fraunhofer IIS konnten die Sender jetzt erstmals Audiobeiträge in hoher Qualität über das normale ISDN-Telefonnetz übertragen – und so Geld sparen. Das Fraunhofer IIS investierte die Einnahmen aus dem Geräteverkauf wiederum in die Weiterentwicklung von mp3.

Nach der Fertigstellung des mp3-Standards hatten viele große Unternehmen der Unterhaltungselektronik kein Interesse an dem Format. Denn einerseits glaubte niemand an den Erfolg der mp3-Technologie, andererseits hatten viele Firmen eigene Formate entwickelt, die jetzt auf den Markt gebracht werden sollten.

Virales Marketing und der erste Prototyp

Die Fraunhofer-Forscher begannen selbst mit der Vermarktung und konzentrierten sich auf den besonders lohnenswerten Markt der Endverbraucher: Sie setzen das Internet gezielt als Marketingplattform ein und boten kostenpflichtige Software zum Download an. Dies führte schnell zur massenhaften Verbreitung von mp3.

Dieses »virale Marketing« war damals alles andere als alltäglich: Das Internet war noch jung und als Vertriebsweg kaum erschlossen. Die Probleme waren aber damals schon die gleichen wie heute: Eigentlich sollte die mp3-Software über das Internet verkauft und so Geld verdient werden. Dieses Geschäftsmodell war jedoch schnell zerstört: Ein australischer Student kaufte die Software mit einer geklauten Kreditkartennummer und machte sie anschließend öffentlich verfügbar. Das Software-Geschäft war für Fraunhofer geplatzt. Dafür verbreitete sie sich die Software wie ein Lauffeuer im Internet.

Gleichzeitig begann auch die rasante Verbreitung von Musik im mp3-Format, leider sehr häufig unter Missachtung der Urheberrechte. Die Fraunhofer-Forscher bekannten sich uneingeschränkt zum Schutz geistigen Eigentums und gegen die illegale Nutzung von Musikstücken im Internet. Dabei betonten sie aber immer, dass der Erfolg legaler elektronischer Musikverteilung davon abhängt, wie benutzerfreundlich die Angebote und Dienste gestaltet werden.

Deshalb trat das Fraunhofer IIS im Jahre 1999 der Secure Digital Music Initiative bei, um mithilfe von kopiergeschützten Systemen gegen die Musikpiraterie vorzugehen.

Auch bei den Geräten waren die Forscher aktiv: So entwickelten sie gemeinsam mit einem deutschen Unternehmen den ersten mp3-Decoder-Chip und stellten einen ersten Prototypen eines mp3-Players vor. Dieser erste Prototyp sollte beweisen, dass mp3 durchaus in Geräten eingesetzt werden kann und nicht zu komplex für mobile Musikspieler ist.

mp3 wurde nun endgültig zum Selbstläufer: Die Inhalte waren vorhanden und die mobilen Musikspieler Realität.

Harald Popp: »Unsere Marketingstrategie ist voll aufgegangen: mp3 wurde zum Erfolg, obwohl nur wenige daran geglaubt haben, und obwohl große Konzerne und Rundfunkanstalten versuchten, mp3 aus dem Markt zu drängen. Schon bald wurde mp3 zum Weltstandard und kein Hersteller konnte es sich mehr leisten, auf mp3 zu verzichten. Wir hatten es geschafft!«