Entwicklung

Alles beginnt Ende der siebziger Jahre mit der Idee, Musiksignale über Telefonleitungen zu übertragen.

Im Jahr 1987 bilden die Universität Erlangen-Nürnberg und das Fraunhofer IIS eine Forschungsallianz im Rahmen des EU-geförderten Projektes EU147 »EUREKA« für Digital Audio Broadcasting (DAB). Dabei gelingt der erste Meilenstein in der Geschichte der Audiocodierung: Mit dem LC-ATC-Algorithmus (Low Complexity Adaptive Transform Coding) ist es erstmals möglich, Stereomusik in Echtzeit zu codieren.

Ernst Eberlein: »Bis dahin existierte LC-ATC nur als Computersimulation und viele Arbeitsstunden von Hochleistungsrechnern waren nötig, um das Verfahren zu testen. Mit dem Echtzeitcodec konnten wir LC-ATC unter realen Bedingungen testen und deutliche Verbesserungen am Algorithmus vornehmen.«

Ein weiterer Meilenstein ist der OCF-Algorithmus (Optimum Coding in the Frequency Domain). OCF enthält bereits viele charakteristische Eigenschaften des zukünftigen mp3-Codecs. Durch einige Erweiterungen wird aus dem OCF-Grundgerüst ein praktisch einsetzbares Verfahren.

Karlheinz Brandenburg: »Im Jahr 1988 war OCF ein wichtiger Meilenstein: Denn OCF realisierte die Vision aus den siebziger Jahren, Musik über Telefonleitungen zu übertragen. Erstmals konnten wir Musik in guter Qualität bei 64 kbit/s für ein Monosignal codieren. Mit OCF starteten wir dann in die MPEG-Standardisierung.«

1989 wird OCF für den geplanten Audiostandard der Internationalen Standardisierungsorganisation »Moving Picture Experts Group MPEG« vorgeschlagen. Bei MPEG gehen insgesamt 14 Vorschläge zur Audiocodierung ein und die Teilnehmer werden ermutigt, ihre Beiträge zu vereinen. Dies führt schließlich zu vier Vorschlägen, darunter ASPEC (Adaptive Spectral Perceptual Entropy Coding) und MUSICAM. ASPEC ist das Ergebnis weiterer Verbesserungen an OCF und Beiträgen der Universität Hannover, AT&T und Thomson. Nach ausführlichen Tests der Kandidaten schlägt MPEG vor, aus MUSICAM und ASPEC eine Familie aus drei Codierverfahren zu gründen: Layer 1 als Variante von MUSICAM mit geringer Komplexität, Layer 2 als MUSICAM-Coder und Layer 3 (später mp3 genannt) basierend auf einer Weiterentwicklung von ASPEC.

Im Dezember 1991 ist die technische Entwicklung des MPEG-1-Standards abgeschlossen.

Bernhard Grill: »Die ISO MPEG-Standardisierung unserer Technologie 1992 war für uns der entscheidende Erfolg. Gegen internationale Konkurrenz konnten wir in von unabhängigen Institutionen durchgeführten Tests beweisen, dass unser Verfahren allen anderen technologisch überlegen war. Diesem Ziel haben wir alles untergeordnet und viele Nächte und Wochenenden geopfert.«

Layer-3 ist der effizienteste (und aufwändigste) der drei Codecs und findet in Folge schnell erste kommerzielle Anwendungen in den Bereichen »Musikübertragung über ISDN-Telefonleitungen« und »Sprachansagesysteme für den öffentlichen Nahverkehr«. Der Codec wird auch in Pilotprojekten eingesetzt, um Musik auf den zu dieser Zeit relativ kleinen PC-Festplatten zu speichern und Musikdateien über die langsamen PC-Modems mit 28,8 kbit/s zu übertragen.

1995 bekommt mp3 seinen heutigen Namen. In einer internen Umfrage sprechen sich die Fraunhofer-Forscher einstimmig für ».mp3« als Dateiendung für MPEG Audio Layer 3 aus.

Die Ära tragbarer mp3-Player beginnt 1998 mit der Einführung des »MPMAN« von Saehan Information Systems in Korea und des »Rio« von Diamond Multimedia in den USA. Die zunehmende Beliebtheit, sinkende Speicherpreise und der Siegeszug des Internets veranlassen dutzende Firmen, ähnliche Geräte auf den Markt zu bringen.

Heinz Gerhäuser: »mp3 war eine bahnbrechende Technologie genau zur richtigen Zeit. Denn nicht lange nach der mp3-Entwicklung kamen auch leistungsfähige PCs auf den Markt, die Speicherpreise sanken und das Internet breitete sich aus. Die technischen Voraussetzungen waren also vorhanden für den Markterfolg. Jetzt mussten wir der Welt nur noch erklären, wozu man die neue mp3-Technologie nutzen kann.«